© Basler Zeitung; 29.11.2008
Perlen und Schrott
jochen schmid
Der Terroranschlag von Bombay hat die globale Netzwelt mobilisiert. Schneller noch als Fernsehen und Radio lieferten Blogger beim Microblogger-Dienst Twitter (und die Bildershow bei Flickr) Eindrücke vom Drama in der indischen Millionenstadt – und aktualisierten sie in frappierendem Tempo. Zwar gibt es bei Twitter nicht viel zu vermelden, die Nutzer dürfen nur 140 Zeichen verfassen. Aber in der Summe der im Sekundentakt einkommenden Meldungen läuft da ein ganzer Nachrichtenstrom zusammen, der im 1:1-Format Authentizität rüberzubringen behauptet. Ausgelöst wird er von «Lokalreportern», die es nur deshalb geworden sind, weil sie im richtigen Moment am richtigen Ort mit ihrem Handy standen. Nur, authentisch ist das nicht immer. Vieles, was im Netz auftaucht, ist blosses Geschwafel und virtuelles Gegaffe. So lief die Bloggermeldung ein, dass auch das «Marriot»-Hotel in Bombay angegriffen worden sei – eine Falschmeldung, die Angehörige von «Marriot»-Hotelgästen nicht gerne gelesen haben dürften. Andere Blogger machen sich einen Spass, mit ihrem Scheinwissen im Netz herumzutollen. Noch andere werden von den etablierten Medien instrumentalisiert. Blogger Armit Varma zum Beispiel sollte, wie Spiegel Online berichtet, bei «Larry King Live» auf CNN als Augenzeuge interviewt werden – er hatte zwar seine persönlichen Erlebnisse in der Terrornacht von Bombay ins Netz gestellt, aber selbst gar nichts Genaues gesehen. Gegen das CNN-Interview wehrte er sich tapfer. Man sieht: Das Netz produziert manche Perle. Aber auch viel Schrott und viele Schrotthändler. jochen schmid @baz.ch
> twitter.com und www.flickr.com
Blogging – what else?!?
vor 16 Jahren
1 Kommentar:
sehr schön. könnten Sie das am 8.1.09 noch thematisieren? - hoffen wir denn, dass alles was gedruck und im Fernsehen ausgestrahlt wird, stimmt... ;-)
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